Eigenbedarf: Der Einzelfall zählt

Benötigt ein Vermieter eine Wohnung für sich selbst, müssen die Mieter ausziehen. Bei Härtefällen lässt sich das Mietverhältnis allerdings unter Umständen nicht beenden.

Die Regelungen zur Eigenbedarfskündigung sind nicht immer eindeutig. „Das Thema beschäftigt regelmäßig die Justiz, inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Entscheidungen“, sagt Matthias Scheff, Rechtsanwalt beim Grundeigentümer-Verband Hamburg. Wichtig sei deshalb immer eine stichhaltige und nachvollziehbare Begründung. Täuscht ein Vermieter den Eigenbedarf jedoch nur vor, können hohe Schadensersatzforderungen auf ihn zukommen.

 

Bedarf in der Familie

Grundsätzlich kann der Vermieter nicht nur die Wohnung für sich selbst einfordern, sondern auch für Familienangehörige. Dazu zählen Kinder, Stiefkinder, Enkel, Eltern, Schwiegereltern, Großeltern, Geschwister, Nichten und Neffen, Lebenspartner und Ehegatten. Bei engem Kontakt kann dies zudem für Cousinen und Cousins gelten. Und auch für Haushaltshilfen wie das Pflegepersonal der Eltern oder ein Au-Pair-Mädchen für die Kinder kann der Eigentümer die Wohnung beanspruchen (BGH, Az. VIII ZR 127/08).

 

Gewerbliche Nutzung

Ebenfalls erlaubt: Wenn der Eigentümer die Wohnung beispielsweise als Arztpraxis oder Büro für seine berufliche Tätigkeit braucht, darf er ein Mietverhältnis auflösen. So gab der Bundesgerichtshof (BGH) einem Eigentümer recht, dessen Frau als Anwältin in einer vermieteten Wohnung arbeiten wollte, wobei das Ehepaar bereits im gleichen Haus lebte (VIII ZR 330/11). Der BGH befand aber später auch, dass der betriebliche Bedarf als Kündigungsgrund nur in besonderen Fällen anerkannt werden kann. Hier sollte die Wohnung als Aktenlager für ein Beratungsbüro im gleichen Gebäude genutzt werden, was der BGH verwehrte (Az. VIII ZR 45/16).

 

Fristgerechte Kündigung

Die Kündigungsfristen staffeln sich nach der Mietdauer: Besteht das Mietverhältnis bis zu fünf Jahre, beträgt die Frist drei Monate, bis zu acht Jahren sind es anschließend sechs Monate und danach neun Monate. Fällt der Grund für den eigenen Bedarf in dieser Zeit weg, etwa weil die Eltern doch in ein Pflegeheim ziehen, muss der Eigentümer dem Mieter dies mitteilen und der Vertrag läuft weiter. „Wurde das Eigentum erst nach der Vermietung gebildet, besteht eine Kündigungssperre von drei Jahren, in Großstädten mit einem engen Wohnungsmarkt wie Hamburg beträgt sie sogar zehn Jahren“, so Scheff.

 

Umgang mit Härtefällen

Besondere Härtegründe stehen allerdings unter Umständen über dem Eigenbedarf, der Mieter kann spätestens zwei Monate vor dem Auszug einen entsprechenden Widerspruch einlegen. Auf diese Möglichkeit muss der Vermieter schriftlich hinweisen, sonst kann der Mieter auch später noch widersprechen. „Für die meisten Härtefälle wird die Kündigung aber nur temporär aufgeschoben“, erklärt Scheff. Beispielsweise wenn die Kinder eine Schule in der Nähe besuchen, wird die Frist gegebenenfalls bis zum Anfang des nächsten Schuljahrs verlängert.

 

Prüfung durch Gutachter

„Insbesondere betagte Mieter, die schon sehr lange in der Wohnung leben und noch an einer chronischen Krankheit leiden, haben gute Karten vor Gericht“, berichtet Scheff. Richter müssen ihre Entscheidung jedoch fundiert begründen, gerade erst im Mai 2019 befand der BGH, dass die Gerichte nicht pauschal urteilen dürfen und forderte, jeden Fall individuell zu begutachten und ärztliche Atteste durch Sachverständige prüfen zu lassen (VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17).


 

 

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